Ich stehe dazu:ich bin Mohammedanerin
Ein Gespräch mit Rahyna Fazal über den Islam und
Veränderungen nach dem 11. September
Ich bete nicht fünf mal am Tag, und ich trage auch kein Kopftuch. Ich komme
zwar aus Indien, aber meinem Aussehen nach könnte ich genauso gut aus Afghanistan
oder Pakistan stammen. Seit dem 11. September wurde ich häufiger aufgrund
meines Aussehens angesprochen. Einmal hat mich ein Mann nach meinem Herkunftsland
gefragt. Ich sagte aus Indien, daraufhin erwiderte er erleichtert:" Gott sei
Dank, Sie sind keine Mohammedanerin". Einer meiner Schülerinnen hat sich
jemand direkt nach den Anschlägen auf das WTC abgemeldet. Auch andere Frauen
aus meinem Bekanntenkreis haben ähnliche Erfahrungen gemacht. So z.B. eine
Bekannte von mir, eine weiße deutsche Frau. Sie ist zum Islam konvertiert
und trägt ein Kopftuch. Sie wurde von ihren Verwandten gewarnt, es nicht
mehr zu tragen, da es nun gefährlich sei. Natürlich interessieren
sich viele Menschen heute mehr denn je für den Islam. Allerdings sind die
Informationen, die sie bekommen sehr einseitig. Ich denke dabei besonders an
die Artikeln im Stern und ähnliche Medienberichte. Mit dem Wort Islam werden
Bilder von Bin Laden, Taliban und Frauen mit Kopftüchern, die zehn Schritte
hinter ihren bärtigen Ehemänner gehen, assoziiert. Diese Bilder haben
mit meiner Realität und die der von vielen Mohammedanerinnen nichts zu
tun. Es gibt natürlich Menschen oder Gruppen wie Bin Laden, die Talibans
oder Born again Christians, die den Glauben nach ihren eigenen Interessen interpretieren.
Solche Menschen bin ich auch begegnet, zum Beispiel während meiner Kindheit
in London. Ich ging damals zu einer Moschee, um den Koran zu lernen. Dort hat
uns der Mufti ein paar mal geschlagen. Aber es ist nach unserem Glauben verboten,
ein Kind zu schlagen und schon gar nicht in Haus Gottes. Als mein Vater von
diesen Zwischenfällen hörte sprach er mit den Muftis. Wir wurden nicht
mehr geschlagen. Wir sind neun Geschwister und wir sind so erzogen worden, dass
wir jede Religion respektieren müssen. Das beinhaltete auch die Art wie
sie beten, wie sie sich kleiden und überhaupt die Art wie sie leben. Mein
Vater war ein gläubiger Moslem. Als meine Mutter ihn heiratete, war sie
sehr jung. Beide respektierten sich. Meine Mutter blieb bei ihm, nicht aufgrund
der Traditionen, sondern weil sie es wollte. Andernfalls hätte sie sich
scheiden lassen können, denn im Islam können Frauen sich scheiden
lassen. Mein Vater ist seit sechs Jahren tot. Meine Mutter ist heute 49 und
eine sehr schöne Frau. Wenn sie wollte, könnte sie wieder heiraten,
aber sie hat andere Männer nicht an sich herangelassen. Ich habe sowohl
die Bibel als auch den Koran gelesen. Ich denke, wenn im Islam Frauen unterdrückt
werden, dann gilt das auch im Christentum. Denn sowohl im Islam als auch im
Christentum müssen Frauen ihren Ehemännern gehorchen. Im Unterschied
zum Christentum müssen Frauen zwar ihre Reize bedecken, können sich
aber scheiden lassen. Was auch sehr wichtig ist, sie können ihre Sexualität
ausleben. Im Koran steht, dass der Mann die Frau - egal wie viele er hat - befriedigen
muss. Es ist ein Scheidungsgrund für die Frauen, wenn der Mann dieser Pflicht
nicht nachkommt. Für die meisten Europäer bzw. US-Amerikaner sind
islamische Frauen unglückliche und unterdrückte Frauen, die keine
Rechte besitzen. Sie haben "Nicht ohne meine Tochter" gesehen oder gelesen und
den Islam so verstanden. In diesem Buch wurde eine Religion wie ein Feind dargestellt,
der Feind der amerikanischen Frau. Nicht Menschen, sondern der Islam wird als
Feind suggeriert und das ist das Problem. Islam ist ein Glaube. Ich stehe dazu
dass ich Mohammedanerin bin. Ich bin im Gespräch mit Gott mit Allah. Es
ist eine Sache zwischen Gott und mir und nicht zwischen mir und Millionen von
Menschen. Gott sieht, was ich mache. Wenn ich etwas schlechtes täte, würde
ich das in der Hölle oder sonstwo irgendwann zurückbekommen. Gott
würde nicht glücklich mit mir sein
Rahyna Fazal. (30) ist in London geboren und aufgewachsen.Nach dem Tod ihres Vaters hat sie sich eine Arbeit im Ausland gesucht und ist auf diese Weise nach Hannover gekommen. Mittlerweile lebt sie seit sechs Jahren in Deutschland. Sie arbeitet als Dozentin für die englische Sprache und beeidigte Übersetzerin Sie spricht Urdu (ihre Muttersprache) Englisch, Arabisch und Deutsch. Rahana schreibt ein Essay in Englische Sprache. |